Auf die Frage, woran Lana Del Rey besonders gern zurückdenkt, antwortet sie prompt: „An das Jahr 2011.“ Aus gutem Grund nennt die 32-Jährige gerade dieses Jahr: Es bescherte ihr nicht weniger als ihren internationalen Durchbruch. Ihr Lied „Video Games“ wirbelte mit einem selbstgedrehten Clip bei YouTube ordentlich Staub auf. Innerhalb eines Monats erzielte es mehr als eine Million Klicks und die schöne Sängerin avancierte zum Internet-Star. Mit ihrem Vintage-Look verzauberte sie ebenso wie mit ihrem Retro-Pop. „Video Games“ wurde ein internationaler Hit, der auf Platz eins der deutschen Charts schoss. Weltweit verkaufte sich die Single fast zwei Millionen Mal.
Der Hype um die Amerikanerin war riesig. Nicht nur Indie-Kreise verfielen ihrem lasziven Gesang, auch die Mainstream-Welt empfing sie mit offenen Armen. Die CD „Born To Die“ schoss 2012 in der Folge erwartungsgemäß durch die Decke: Platz eins unter anderem in Deutschland, Großbritannien oder Österreich, Platz zwei in den USA. Am Ende war es mit fünf Millionen verkauften Tonträgern auf Platz fünf der bestverkauften Alben des Jahres.
Dies war aber nur der Anfang von Lana Del Reys Erfolgsgeschichte. Mit den beiden Nachfolgern „Ultraviolence“ (2014) und „Honeymoon“ (2015) bewies sie ziemlich eindrucksvoll, dass sie nie Gefahr lief, lediglich als Eintagsfliege abgetan zu werden. Ihre musikalische Popularität brachte ihr einen Modeljob in einer H&M-Kampagne ein. Doch zu allererst kommt bei ihr natürlich ihre künstlerische Karriere: „Eigentlich wünsche ich mir nur eins: Ich möchte als Songschreiberin respektiert werden.“
Geschmackssicher steuert Lana Del Rey mit ihrem neuen Album „Lust For Life“ auf dieses Ziel zu. Der Sound des Albums ist gleichermaßen zeitgemäß und retro. So kommt die Ballade „Beaches“ mit verschleppten Triphop-Beats daher. Typisch Lana Del Rey taucht sie dabei textlich in tiefe Traurigkeit ein. Die Sängerin bekennt darin ganz unverblümt, dass sie ihren Ex immer noch liebt. „Cherry“ schlägt inhaltlich und musikalisch in eine ähnliche Kerbe. Auch hier regiert die Melancholie, wenn Lana Del Rey beschreibt, wie die Gefühle zu einem Mann sie fast zerbrechen.
Aus ihrem Herzen hat Lana Del Rey noch nie eine Mördergrube gemacht. Verkorkste und schwierige Beziehungen haben sie in ihren Liedern zum Flehen oder Verzweifeln gebracht. Aber nun knöpft sie sich auch Themen aus der politischen Gegenwart der USA vor. In dem Stück „When The World Was At War We Kept Dancing“ stellt Lana die Frage: „Is this the End of America?“
In der Pianoballade „Change“, die ihrer Stimme reichlich Platz lässt ihre volle Schönheit zu entfalten, nimmt sie ebenfalls Bezug auf die Veränderung des politischen Klimas. „Es wäre doch seltsam gewesen, nicht darauf einzugehen, wie sehr Donald Trump unsere Gesellschaft aus den Fugen gehoben hat.“
Ihre sozialkritischen Texte sind nicht die einzige nennenswerte Veränderung im Schaffen der Künstlerin. Für „Lust For Life“ hat sich Lana ein paar Gäste ins Studio geholt. Für den Song „Summer Bummer“, dessen Beats sowohl kraftvoll und doch smooth sind, unterstützen sie A$AP Rocky und Playboi Carti. Sean Lennon rekrutierte sie für das sparsam instrumentierte „Tomorrow Never Came“. Beim Titelsong „Lust For Life“ tat sie sich mit The Weeknd zusammen. Die beiden turteln im Video zu diesem Track auf dem Hollywood-Sign über den Dächern von Los Angeles, was das Zeug hält und singen: „Our Lust for life keeps us alive.“ Ungewohnte Töne von Lana Del Rey, die nicht gerade als Hedonistin gilt. Sie lacht: „Ich glaube, jeder sehnt sich danach, glücklich zu sein – mich eingeschlossen.“
Der Erfüllung dieses Wunsches kam sie durch ihre Zusammenarbeit mit Stevie Nicks ein Stück näher. „Ich wollte unbedingt eine Frau auf meinem Album haben“, erzählt Lana Del Rey. Also überredete sie ihren Produzenten Rick Nowels, seine alte Freundin Stevie Nicks anzurufen. Die Fleetwood-Mac-Legende fügt sich nahtlos in die Klavierballade „Beautiful People Beautiful Problems“ ein. „Ich war richtig nervös, als Stevie ins Studio kam“, erinnert sich Lana Del Rey. „Sie ist eine so wunderbare Sängerin.“
Selbstverständlich muss sich Lana Del Rey stimmlich nicht hinter dieser Ikone verstecken. Sie schafft es, jede Silbe mit Bedeutung zu füllen. Bei Festivals schlägt sie mühelos Zehntausende mit ihrem mal dunkel getönten, mal mädchenhaft hellen Gesang in ihren Bann. Warum? Weil ihre Gefühle wahrhaftig sind. Sie erzählt Geschichten, die aus dem Leben gegriffen sind. Nach ihrem Auftritt beim Coachella Festival schrieb sie ganz spontan die sphärische Nummer „Coachella – Woodstock In My Mind“ und stellte sie kurze Zeit später ins Internet. Festivals, schwärmt sie, seien für sie das Größte: „Ich finde es toll, wenn ganz viele Menschen zusammenkommen und dann meine Songs mitsingen.“
Lana Del Reys Musik funktioniert live ebenso gut wie auf Platte. Ihre Songs sind eingängig und abwechslungsreich. Egal, ob sie ihrer Liebe zu akustischen Klängen Ausdruck verleiht oder mit Liedern wie „Love“ ihrem düsteren Erfolgsalbum „Born To Die“ huldigt: Lana Del Rey beschwört stets unvergessliche Momente herauf.